TIPP:
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber im Falle einer geplanten „Betriebsänderung“ den Versuch eines Interessenausgleichs – d.h. einer schriftlichen Einigung über die Durchführung der geplanten Maßnahme unter Berücksichtigung beiderseitiger Interessen – zu unternehmen hat.
Gegenstand eines Interessensausgleichs ist insbesondere die Frage, ob bzw. in welchem Umfang geplante „Betriebsänderungen“ durchgeführt und in welchem zeitlichen Rahmen Sie umgesetzt werden. Unterlässt der Arbeitgeber den Versuch eines Interessenausgleichs, kann dies Ansprüche – der durch die Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer – auf Abfindung, Nachteilsausgleich und Geldbußen nach sich ziehen!
Ein Anspruch auf Abfindung kann Ihnen als Arbeitnehmer außerdem zustehen, wenn zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Interessenausgleich wirksam vereinbart wurde und der Arbeitgeber – ohne zwingenden Grund – von diesem abweicht (§ 113 Absatz 1 BetrVG).
Was versteht man unter einem Interessenausgleich? Wann sind Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Betriebsrat aufzunehmen?
Bei geplanten „Betriebsänderungen“ – welche regelmäßig mit erheblichen Nachteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden sind – ist der Betriebsrat „rechtzeitig und umfassend“ zu unterrichten (§ 111 Satz 1 BetrVG).
Der Arbeitgeber hat sich darüber hinaus zu der geplanten Maßnahme mit dem Betriebsrat zu beraten und über einen Interessensausgleich und/oder den Abschluss eines Sozialplanes zu verhandeln.
Im Rahmen eines Interessenausgleichs – soll unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen von der Unternehmerseite und Arbeitnehmern – eine schriftliche Einigung dazu erzielt werden, ob bzw. in welchem Umfang geplante Betriebsänderungen durchgeführt und in welchem zeitlichen Rahmen diese umgesetzt werden.
Während durch einen Interessenausgleich im Vorfeld Nachteile für den Arbeitnehmer durch Einflussnahme auf die Durchführung der anstehenden Maßnahme vermieden werden sollen, dient der Sozialplan dem Ausgleich von Nachteilen, die durch die Betriebsänderung tatsächlich entstehen.
Eine Einigung kann in der Weise erzielt werden, dass ein vom Unternehmen unterbreiteter Vorschlag akzeptiert oder nach Berücksichtigung von Änderungswünschen des Betriebsrates erfolgt und schriftlich festgehalten wird.
Bei Bedarf besteht für Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeit den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung zu bitten (§ 112 Absatz 2 Satz 1 BetrVG) oder die Einigungsstelle zur Durchführung eines Interessenausgleichsverfahrens anzurufen (§ 112 Absatz 2 Satz 2 BetrVG).
Vereinbarungen zu einem Interessenausgleich sind aber nur freiwillig möglich und nicht – über einen Spruch der Einigungsstelle – erzwingbar!
Welchen Inhalt hat ein Interessenausgleich?
1. Konkrete Bezeichnung der Maßnahme und deren Auswirkungen
Kommt hinsichtlich der geplanten Betriebsänderung eine Einigung zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung zustande, wird diese schriftlich niedergelegt.
Die geplante Maßnahme, die Anzahl und der Kreis der konkret betroffenen Arbeitnehmer sowie die konkreten Auswirkungen wird hier detailliert beschrieben.
Gegenstand eines Interessenausgleichs können z.B. folgende Maßnahmen sein:
2. Interessenausgleich mit Namensliste
Hat eine geplante Betriebsänderung auch die Kündigung von Arbeitnehmern zur Folge, besteht die Möglichkeit – die hiervon betroffenen Arbeitnehmer – im Rahmen des Interessenausgleichs namentlich zu benennen.
Dies hat Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten eines zukünftigen Kündigungsschutzprozesses der betroffenen Arbeitnehmer:
Entgegen der Obliegenheit des Arbeitgebers die Betriebsbedingtheit einer Kündigung darzulegen und zu beweisen (§ 1 Absatz 2 Satz 4 KSchG) greift im Falle eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Vermutung, dass die Kündigung aufgrund dringender betrieblicher Erfordernissen erfolgt ist (§ 1 Absatz 5 KSchG).
Der Arbeitnehmer muss nun diese Vermutung widerlegen.
Darüber hinaus wird die Sozialauswahl nur auf grobe Fehler hin überprüft (§ 1 Absatz 5 Satz 2 KSchG).
Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn sie jegliche Ausgewogenheit und ordnungsgemäße Gewichtung der Auswahlkriterien vermissen lässt.
Durch einen Interessenausgleich mit Namenliste wird folglich eine arbeitgeberseitige Kündigung grundsätzlich erleichtert!
WICHTIG:
Es kann hier erfolgversprechend sein, den schriftlichen Interessenausgleich mit Namensliste genau auf formale Fehler hin überprüfen zu lassen!
Zum Beispiel muss die Namensliste mit dem Interessenausgleich grundsätzlich eine einheitliche Urkunde bilden. Darüber hinaus müssen die zu kündigenden Arbeitnehmer konkret mit Namen und Geburtsdatum bezeichnet werden.
Welche Formvorschriften gelten für den Interessenausgleich?
Der Interessenausgleich muss schriftlich niedergelegt und vom Unternehmer und dem Betriebsrat unterschrieben werden (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Bei Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens muss – bei erzielter Einigung – der Interessensausgleich ebenfalls schriftlich niedergelegt und zusätzlich vom Vorsitzenden der Einigungsstelle unterschrieben werden.
Welche rechtlichen Wirkungen hat ein Interessenausgleich?
Ein Abweichen des Unternehmens vom vereinbarten Interessenausgleich ist grundsätzlich einseitig möglich und kann vom Betriebsrat nicht verhindert werden.
Einen Durchführungsanspruch gibt es grundsätzlich nicht!
Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, können jedoch Arbeitnehmern, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage auf Zahlung einer Abfindung zu erheben (§ 113 Absatz 1 BetrVG).
Ein Interessenausgleich kann dann (ausnahmsweise) einklagbare Rechte der betroffenen Arbeitnehmer begründen, wenn es sich bei dem Interessenausgleich um eine freiwillige Betriebsvereinbarung handelt und dies entsprechend klar zum Ausdruck gebracht wurde.
Das hierin vereinbarte entfaltet dann unmittelbar normative Wirkung.
Haben Sie weitergehende Fragen zum Thema Interessenausgleich informieren und beraten wir Sie gerne!